B2) Mechanismen von Vegetationsänderungen
Grundlegende Mechanismen von Vegetationsänderungen und Diversität in strukturerhaltender Waldbewirtschaftung
Michael Scherer-Lorenzen
Doktorandin: Sara Klingenfuß (seit 2019) & Barbara Meyers (seit 2022)
Albert-Ludwigs-Universität, Fakultät für Biologie, Insitut für Biologie II,
Professur für Geobotanik
Hintergrund
Retentionsmaßnahmen zur Verbesserung von Strukturelementen in eher homogenen, gleichmäßig alten Beständen verändern das Mikroklima und die Verfügbarkeit von Ressourcen auf räumlicher und zeitlicher Ebene, worauf Pflanzen empfindlich reagieren (1). Die Erhöhung struktureller Vielfalt durch die Schaffung von Lücken oder das Belassen von Habitatbäumen wirkt sich auf Lichtqualität und -menge, Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Bodentemperatur und -feuchtigkeit, Streueintrag und Nährstoffverfügbarkeit am Waldboden aus.
Darüber hinaus ändern sich diese abiotischen Bedingungen auch auf verschiedenen zeitlichen Ebenen (tägliche Schwankungen, jahreszeitliche Veränderungen, Schwankungen von Jahr zu Jahr). Insbesondere die räumlich-zeitliche Variabilität der Lichtintensität am Waldboden ist in der Regel in strukturell komplexeren Waldbeständen größer (2). Das komplexe Zusammenspiel dieser Veränderungen führt zu einer veränderten Verfügbarkeit von Ressourcen (Licht, Nährstoffe, Wasser) für Pflanzen und damit zu Konkurrenzvorteilen bestimmter Arten gegenüber anderen.
Es hat sich gezeigt, dass die Pflanzenvielfalt im Unterholz in Bezug auf die Artenzusammensetzung, den Artenreichtum und die funktionelle Vielfalt empfindlich auf Rückhaltemaßnahmen reagiert (3). Weniger bekannt sind jedoch der Einfluss des Landschaftskontextes sowie die relativen Beiträge der verschiedenen Ressourcen und deren Variabilität für die Vielfalt im Unterholz.
Forschungsfrage und Hypothese
Wir wollen die Auswirkungen von Retentionsmaßnahmen für den Unterwuchs von Wäldern mechanistisch verstehen, wobei der Schwerpunkt solcher Maßnahmen auf Habitatbäumen und Totholz liegt, entsprechend dem Gesamtkonzept von ConFoBi. Dabei möchten wir die Wirkung unterschiedlicher abiotischer Veränderungen auf die Pflanzendiversität analysieren und auch und den Landschaftkontext (d. h. Waldkonnektivität) berücksichtigen.
Wir testen die Hypothese, dass eine zunehmende strukturelle Vielfalt der Wälder die räumliche und zeitliche Heterogenität der Ressourcenverfügbarkeit erhöht, was eine Koexistenz der Pflanzenarten und damit eine höhere Artenvielfalt und Vielfalt funktioneller Typen im Unterholz ermöglicht.
Darüber hinaus werden wir die relative Bedeutung der Heterogenität von Licht gegenüber derjenigen von Bodenressourcen für die Vielfalt der Vegetation im Unterholz bestimmen, wobei wir von einer dominanten Wirkung des Lichts ausgehen. Dadurch möchten wir die Auswirkungen der Bestandsstruktur auf das Lichtregime, die Nährstoffverfügbarkeit und die Struktur und Vielfalt der Waldbodengemeinschaft besser verstehen.
Ansatz, Methoden und Verknüpfungen
In den ersten drei Jahren (Kohorte 1) konzentrierten sich die Analysen des Doktoranden Jan Helbach auf die allgemeine Frage, wie die Heterogenität der Waldstruktur die Ressourcenheterogenität und die Verfügbarkeit von Licht für die Unterholzvegetation und damit die Artenvielfalt und -zusammensetzung beeinflusst. Diese Analyse stützte sich auf zwei Schritte:
- Auswirkungen von Waldstruktur und Waldvernetzung auf die Vielfalt der Unterholzvegetation
- Skalenabhängigkeit der Ressourcenheterogenität und ihre Auswirkungen auf die Artenzusammensetzung
Wir bestimmten die Zusammensetzung und räumliche Verteilung von höheren Pflanzen und bodenbewohnenden Moosen im Unterholz auf jeder der 135 Untersuchungsflächen auf verschiedenen räumlichen Maßstäben (Parzelle: Vorkommen höherer Pflanzen für den gesamten Hektar; Teilfläche: Artenhäufigkeit höherer Pflanzen auf sechs dauerhaft markierten 5 x 5-m-Quadraten; Transekt: Artenhäufigkeit höherer Pflanzen und Moose auf einem 9,5-m-N-S-Transekt mit 12 0,4 x 0,4-m-Quadraten). Die Lichtverhältnisse wurden in allen Parzellen in denselben räumlichen Maßstäben wie bei den Vegetationsanalysen gemessen (Parzelle: Durchschnitt von sechs hemisphärischen Fotos, die auf den Teilflächen aufgenommen wurden; Teilfläche: ein hemisphärisches Foto pro Teilfläche; Transekt: PAR-Messungen über 2-4 Wochen auf jedem Quadrat des Transekts, d. h. insgesamt 12). Auch die Bodeneigenschaften wurden in allen Parzellen in denselben räumlichen Maßstäben wie bei den Vegetationsanalysen bestimmt (Parzelle: Durchschnitt aus den Proben der Teilparzellen; Teilfläche: drei gemischte Bodenproben bis zu einer Tiefe von 15 cm; Transekt: eine Probe pro Transektquadrat, d. h. insgesamt 12). Die Bodenproben wurden auf Gesamt-C, N und P, NH4+, NO3- und Kationen (K, Fe, Mg, Ca und andere) untersucht.
Die Struktur des Kronendachs wurde anhand der Lückigkeit und des Blattflächenindex (basierend auf hemisphärischen Fotos) sowie der Rauhigkeit des Kronendachs (aus Fernerkundungsdaten, mit A1) gemessen.
Ergebnisse
Die Arbeit des ersten Doktoranden, Jan Helbach, zeigte, dass der Artenreichtum im Unterholz auf den 1 ha großen Parzellen zwischen 2 und 71 Arten liegt. Insgesamt wurden 323 Arten auf allen Parzellen gefunden. Weitere Analysen ergaben, dass die Heterogenität des Lichts und des C:N-Verhältnisses im Boden mit zunehmender Komplexität der Bestandsstruktur zunimmt. Darüber hinaus führt eine zunehmende Lichtheterogenität zu einem größeren Artenreichtum der Unterholzpflanzen, was die Heterogenitäts-Diversitäts-Hypothese unterstützt.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass durch eine zeitlich und räumlich abgestufte Bewirtschaftung die Lichtverhältnisse in Wäldern diversifiziert werden können, um die Vielfalt im Unterholz zu erhöhen.
Die zweite Doktorandin von B2, Sara Klingenfuß, wählt einen Ansatz der auf funktionellen Merkmalen beruht, um die Heterogenitäts-Diversitäts-Hypothese zu testen. Hiermit wird der Schwerpunkt auf die Merkmale und funktionellen Eigenschaften der im Unterholz vorkommenden Arten verlagert. So quantifiziert sie die Rolle der Waldstruktur und der Ressourcenheterogenität auf die Merkmalsverteilung und die funktionelle Vielfalt des Unterwuschses.
Veränderungen der Wachstumsbedingungen können zu einer Diversifizierung der Pflanzenstrategien führen und damit die Variabilität der Ausprägung funktioneller Merkmale erhöhen. Limiting similarity sowie environmental filtering sind bereits erforschte Mechanismen, welche dazu führen, dass die Ausprägungen funktioneller Merkmale in Pflanzengemeinschaften variieren. Pflanzen sind jedoch in der Lage, sich anzupassen, und die Merkmalsplastizität innerhalb einer Art kann ebenfalls mit den Einflüssen der Umwelt und dem allospezifischen Wettbewerb um Ressourcen zusammenspielen. Die Beobachtung der Auswirkungen dieser Mechanismen auf einer feineren Skala, einschließlich der Messung von Merkmalen und der intraspezifischen Variabilität im Unterholz von Wäldern, hat in der Vergangenheit nicht viel Aufmerksamkeit erhalten und wird in der zweiten Phase von B2 in Angriff genommen.
Um diese Mechanismen auf inter- und intraspezifischer Ebene zu untersuchen, führte Sara Klingenfuß detaillierte Vegetationsaufnahmen durch und quantifizierte die Verteilung funktioneller Merkmale aller höheren Pflanzen auf einer Teilmenge aller ConFoBi-Flächen, wobei sie 18 Teilflächen auf jedem Hektar untersuchte. Sie analysierte eine Reihe von funktionellen Merkmalen auf mehreren biologischen Hierarchien, vom Blatt über die ganze Pflanze bis hin zur Gemeinschaft. Zusätzlich zu den Messungen von Pflanzenmerkmalen quantifizierte sie die Heterogenität der Waldstruktur, indem sie hämisphärische Fotos in jeder Teilfläche aufnahm und so eine feiner skalierte Karte der Offenheit des Kronendachs und der Lichtverhältnisse für jede ausgewählte Fläche erstellte.
Bislang konnte sie zeigen, dass es in unserem Untersuchungsgebiet eine große Bandbreite an Merkmalsausprägungen zwischen den Arten gibt. Die Variabilität der Merkmale auf Gemeinschaftsebene (ausgedrückt in der functional dispersion) steht in engem Zusammenhang mit der Art des Untergrunds (basen oder säurereiche Ausgangsgesteine und Böden) und der Heterogenität der Ressourcen im Wald. Die functional dispersion war am höchsten in Untersuchungsflächen auf kalkhaltigem Untergrund und mit einem hohen Maß an Habitatheterogenität (Licht und Bodenphosphor sowie in Bezug auf die Anzahl der vorhandenen Baumarten).
Dies würde die Beziehung zwischen Heterogenität und Vielfalt unterstützen. Pflanzengemeinschaften auf saurem Untergrund zeigten keine Auswirkungen der Ressourcenheterogenität auf die functional dispersion, was den Ansatz des environmental filtering unterstützt. Die Ergebnisse zur Auswirkung der Ressourcenheterogenität auf die Merkmalsplastizität könnten in einem nächsten Schritt zu einem tieferen Verständnis der Mechanismen führen, die der Bildung von Gemeinschaften in bewirtschafteten Wäldern zugrunde liegen, welche ausreichende Bedingungen für die Pflanzenvielfalt bieten.
ConFoBi Veröffentlichungen von B2
Knuff, Anna K.; Staab, Michael; Frey, Julian; Helbach, Jan & Klein, Alexandra‐Maria (2019). Plant composition, not richness, drives occurrence of specialist herbivores. Ecol Entomol, 44, 833–843. www.doi.org/10.1111/een.12767.
Asbeck, Thomas; Sabatini, Francesco; Augustynczik, Andrey L. D.; Basile, Marco; Helbach, Jan & Jonker, Marlotte et al. (2021). Biodiversity response to forest management intensity, carbon stocks and net primary production in temperate montane forests. Scientific reports, 11, 1625. www.doi.org/10.1038/s41598-020-80499-4.
Gustafsson, Lena; Bauhus, Jürgen; Asbeck, Thomas; Augustynczik, Andrey Lessa Derci; Basile, Marco & Frey, Julian et al. (2020). Retention as an integrated biodiversity conservation approach for continuous-cover forestry in Europe. Ambio, 49, 85–97. www.doi.org/10.1007/s13280-019-01190-1.
Storch, Ilse; Penner, Johannes; Asbeck, Thomas; Basile, Marco; Bauhus, Jürgen & Braunisch, Veronika et al. (2020). Evaluating the effectiveness of retention forestry to enhance biodiversity in production forests of Central Europe using an interdisciplinary, multi-scale approach. Ecology and evolution, 10, 1489–1509. www.doi.org/10.1002/ece3.6003.