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Soundscape

Öko-akustisches Monitoring von vokalisierenden Organismen entlang von Waldstrukturgradienten

Michael Scherer-Lorenzen & Sandra Müller
Doctorandin: Taylor Shaw (seit 2020)

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Fakultät für Biologie, Institut für Biologie Biology II, Abteilung Geobotanik


Hintergrund

Soundscape-Ökologie, oder „Ökoakustik", versucht zu verstehen wie biophonische, geophonische und anthrophonische Lautquellen in diversen räumlichen und zeitlichen Skalen interagieren. Ökologisch relevante Charakteristiken von digitalen Tonaufnahmen können durch konvertieren von Tondateien zu Spektrogrammen quantifiziert werden und darauf aufbauend unter anderem akustische Indizes zu Diversität, Komplexität und Belegung des Spektralbands abgeleitet werden. Da Soundscapes zwischen ökologischen und anthropogenen Störungsgradienten variieren können akustische Indizes zum testen von Hypothesen, zu beobachteten akustischen Mustern, liefern, sowie zu einem besseren Verständnis davon beitragen, wie vokalisierende Organismen auf Änderungen in ihrer Umwelt reagieren.

Terrestrisches Akustik-Monitoring fokussiert sich viel auf Vogeltaxa, da sie sehr ruffreudig und geographisch weit verbreitet sind, verschieden Rollen im Ökosystem einnehmen und oft als Indikatoren für Umweltänderungen genutzt werden. Vögel sind wichtige Bioindikatoren für Waldhabitate. Artenvielfalt von sowohl Spezialisten als auch Generalisten Vögeln kann mit Waldalter und Größe zunehmen und die Artenzusammenstellung des Ökosystems Wald liefert wichtige Informationen über Habitatqualität und Biodiversitätsindikatoren auf europäischer Ebene. Die Reaktion von Vögeln auf strukturelle Komplexität ist ein lang untersuchtes Thema, und die Theorie sagt voraus, dass die Anzahl der Arten positiv mit der Ressourcenvielfalt korreliert, welche mit steigender Komplexität der Waldstruktur wächst. Besonders die vertikale Struktur hat einen Effekt auf Vögel durch ihren Einfluss auf Sitzhöhe, Nestbau und Nahrungssuche, sowie die größere Verfügbarkeit von Nischen. Waldmanagement spielt eine zentrale Rolle bei strukturellen Merkmalen, da dies die Vogeldiversität entweder fördern oder ihr schaden kann. Forstpraktiker kontrollieren strukturelle Merkmale genau und schaffen Maße die für Monitoring von sowohl Wirtschafts- als auch Biodiversitätsziele genutzt werden können.

Vorhergehende Einzelstudien zu Ökoakustik, Vogelvielfalt und Waldstruktur liefern Beweise, dass strukturelle Merkmale im Bestand und akustische Indizes identifiziert und genutzt werden können um Vogel Diversität vorherzusagen, aber Forschung die diese Faktoren zusammen bringt fehlt bisher. Daher zielt dieses Projekt darauf ab zu untersuchen welche räumlichen und zeitlichen Skalen am effektivsten für die Identifikation akustischer Unterschiede entlang dieser Gradienten ist.

 

Forschungsfragen & Hypothesen

Die übergeordneten Ziele dieser Studie sind:

  1. Die Entwicklung eines standardisierten Basisdatensatzes für den südlichen Schwarzwald durch ein Set von akustischen Indizes welche akustische Diversität quantifizieren.
  2. Nutzung der Indizes, um Verschiebungen und Muster in der Verteilung von Klängen in temporalen Skalen zu beschreiben (Unterschiede innerhalb und zwischen Jahreszeiten, und tägliche Änderungen in der Vogelgesang Phänologie).
  3. Korrelation der akustischen Diversität und Waldstruktur Daten mit Vogel Zähldaten an bestimmten Punkten (von ConFoBi Projekt B6) um die Vorhersagekraft von akustischen und strukturellen Indizes kombiniert mit Vogel Diversität in einem gemäßigten, gemanagten Waldkontext zu ermessen.
  4. Bestimmen welche Elemente der Waldstruktur Aspekte von Vogel Diversität wiederspiegeln die durch akustische Indizes nicht gut aufgenommen werden und umgekehrt.
  5. Ein Set von strukturellen und akustischen Indizes zu entwerfen, welches zusammen eine effiziente, weitgefasste Methode zum Monitoring von Vogeldiversität für Forstpraktiker bietet.

Spezielle Forschungsfragen:

  1. Es wurde gezeigt, dass akustische Diversität generell positiv mit Vogel Diversität in gemanagten, gemäßigten Waldökosystemen korreliert; können diese Funde im südlichen Schwarzwald repliziert werden, und wenn ja, welche akustischen Indices haben die stärkste positive Korrelation mit Vogel Diversität? Welche Indizes haben die stärkste Korrelation mit Gilden mit speziellem Lebenszyklus?
  2. Basierend auf Literatur über die Reaktion von Vögeln auf Waldstruktur hypothetisieren wir, dass akustische Diversität positiv auf Maßnahmen zu vertikaler und horizontaler Struktur reagiert und negativ auf gewisse Aspekte der Bestandszusammensetzung (z.B. Anteil von Koniferen). Wird diese Hypothese durch Daten zu akustischer Diversität unterstützt, und wenn ja, welche strukturellen Optionen zu Erklärung haben den stärksten Effekt?
  3. Wie wichtig ist Totholz (ein zentrales, Management-abhängiges, strukturelles Element, und aktuell gerne genutzt um Struktur in gemanagten Wäldern zu erhalten) für Beeinflussung von Diversität von Vogellauten? Haben Totholz Metriken einen unterschiedlichen Effekt auf Vogel Diversität und akustische Diversität?
  4. Landschaftskontext ist wahrscheinlich ein wichtiger Auslöser für akustische Diversität (im Hinblick darauf, dass Vögel fliegen können und nicht an Habitate auf Versuchsflächen-Level gebunden sind). Wir haben die Hypothese, dass akustische Diversität mit Waldstück Größe zunimmt, und noch stärker mit Landschaftsmatrix Qualität.

 

Methoden & Verknüpfungen mit anderen Projekten

Automatisierte akustische Aufnahmegeräte werden auf ConFoBi Versuchsflächen eingesetzt um akustische Events während der Vogel Brutsaison aufzunehmen. Jedes Gerät ist darauf programmiert von 18:00h bis 9:00h am nächsten Tag aufzunehmen, was insgesamt 90 Ein-Minuten Aufnahmen pro Versuchsfläche pro Tag während des Frühlings entspricht. Dieser Zeitplan wird sowohl Abend- als auch Morgendämmerungschöre einfangen, sowie ihre jeweiligen Änderungen während der Saison, welche wichtig sind, da sich die Vogelgemeinschaft im Laufe des Frühlings ändert: Kurzstrecken Migranten und stationäre Vögel singen schon frühestens im April während Langstrecken Migranten gewöhnlich nicht vor ihrer Ankunft im Mai zu singen beginnen. Der Abenddämmerungschor wird ebenfalls aufgenommen, da einige Studien gezeigt haben, dass Unterschiede zwischen gewissen Waldgebieten bei dem Abenddämmerungschor besser detektiert werden können als bei dem Morgendämmerungschor (pers. Beob., 30/3/2019). Die Geräte werden zusätzlich über Nacht aufnehmen (Abenddämmerung bis Morgendämmerungschor) um zusätzlich Nachtaktive Vögel zu erfassen deren Präsenz schwer durch traditionelle Studien am Tag aufzunehmen sind. Dies ist ein nützlicher Zusatz zum Design der Datenaufnahme, da wir herausfinden könnten, dass verschieden Flächen bevorzugt von gewissen nachtaktiven Vögel gewählt werden – wie z.B. dem europäische Ziegenmelker Caprimulgus europaeus und gewisse Eulenarten mit hohem Schutzinteresse – ,Unterschiede die bei einer Studie rein am Morgen nicht gefunden werden können. Hierdurch können auch An-/Abwesenheitsdaten erstellt werden durch traditionelle Methoden nicht erfasst werden können. Durch diesen Teildatensatz können in Kombination mit strukturellen Variablen viele wichtige Fragen beantwortet werden.
Über eine Millionen Rohdaten werden mit einer Kombination aus manuellem Bereinigen von Wetterereignissen und automatisiertem Filtern von Hintergrundrauschen prozessiert. Als nächstes wird ein Set von akustischen Indizes errechnet und mit Datensets anderer Projekte in Zusammenhang gesetzt. Temperatur, atmosphärischer Druck, Luftfeuchtigkeit und Lichtregime werden auch an jedem Mittelpunkt der Versuchsflächen im Abstand von zehn Minuten durch die akustischen Geräte aufgenommen und korrespondieren direkt mit dem Zeitplan der akustischen Daten. Vogelzählungen des ConFoBi B6 Projekts finden von April bis Juni je zweimal pro Versuchsfläche statt. Demensprechend werden die resultierenden Daten zu Vogelvielfalt und Abundanz für die gleiche Testperiode generiert werden. Ebenfalls in dieses Projekt integriert werden sollen Daten zu Lichteinfall von Projekt B2 und strukturelle Inventuren der Projekte A1 und A2.

 

Ergebnisse

Obwohl dieses Projekt erst kürzlich Teil von ConFoBi wurde (Januar 2020) zeigen Ergebnisse von einer vorhergehenden Pilotstudie signifikante Unterschiede in akustischer Komplexität entlang Gradienten von stehendem Totholz und Konnektivität in den umgebenden 25km2, wodurch unsere primäre Hypothese vorläufig bestätigt wird. Dadurch haben wir erste Beweise, dass strukturelle Unterschiede auf den ConFoBi Versuchsflächen detektierbare Variationen in akustischen Vogeldiversität ergeben, was als Grundlage für weitere Forschung Voraussetzung war. Außerdem wurden akustische Experimente vor dem Start des Projektes durchgeführt, da in der Literatur keine standardisierte Methode für Aufnahmen in steilem Terrain beschrieben ist, auf welchem sich viele ConFoBi Flächen befinden. Durch diese Ergebnisse können wir rausfinden wie die Geräte orientiert sein müssen, um die größte Frequenzbandbreite in einem möglichst großen Radius aufzunehmen und um entsprechende optimale Installationsvorgaben für omnidirektionale Mikrophone auf Flächen mit steilen Hängen zu erstellen. Diese Ergebnisse werden in zukünftig folgender akustischer Forschung in ConFoBi angewandt werden.